Es gibt für mich nur wenige Wagen die gleichzeitig puren Luxus repräsentieren, dabei so elegant sind ohne protzig zu wirken wie ein Rolls Royce Silver Shadow. So war ich sehr erfreut im Sommer 2011 nicht nur mal in so einem Wagen sitzen, sondern auch mitfahren zu dürfen.
Ich nahm auf dem Beifahrersitz in diesem 1973er Silver Shadow Platz. Beifahrersitz? Eigentlich sitzt man ja hinten oder fährt selber, ich wollte mich aber während der Fahrt mit dem Fahrer und Besitzer unterhalten. Mein erster Eindruck im Wagen: großes, filigranes Lenkrad, daran nur Hebel für Blinker und Automatik, ein klassisches Holzarmaturenbrett mit schönen Rundintrumenten und zig Kippschalter für die sonstigen Funktionen wie Licht und Scheibenwischer. Sehr viel Leder, Holz und Chrom. Kein Vergleich mit modernen Wagen mit ihren multifunktionalen Bedienhebel und Lenkrädern. Das Leder fühlte sich trotz des Alters angenehm an. Nettes Gimmick: die vorderen Armlehnen sind nicht seitlich am Sitz montiert, sondern werden hochklappt Bestandteil der Rückenlehne. Auch bei runtergeklappter Armlehne sind die Sitze breit genug, von Enge kann wirklich nicht die Rede sein. Der gesamte Innenraum voller Leder und Holz wirkt luxoriös und elegant, durchaus unsportlich (ohne dieses abwertend zu meinen).
Die Anlassergeräusche sind leise und den im Leerlauf vor sich hin flüsternden Motor hört man fast gar nicht. Erst beim Anfahren nimmt man das typische Brubbeln eines großvolumigen V8 (immerhin 6.750 ccm) war, aber nur sehr leise, fast nur ein Flüstern. Es ist beeindruckend wie leise sich dieser alte Wagen in Bewegung setzt.
Auch bis zur Landstraße ändert sich nichts wesentlich: keine Schaltrucke, kaum Geräusche, alles sehr leise und daher entspannend. Der Tacho zeigt 50 Meilen an, also rollen wir mit rund 80km/h über die Landstraße. Das lauteste Geräusch ist das Knarzen des Leders wenn sich jemand in einem der Sessel räckelt. Fahr- und Motorgeräusche sind immer noch untergeordnete Geräusche, daher vernimmt man bei diesem Silver Shadow das leichte Singen des Differentials. Ich finde es faszinierend wie leise dieser fast 40 Jahre alte Wagen ist und sich auf dem Niveau moderner Fahrzeuge bewegt. Bei dieser Abwesenheit von aufdringlichen Geräuschen lässt es sich gut mit dem Besitzer plaudern. So erfahre ich, daß er den Wagen aus der Schweiz hat, er es auch schon mal geschafft mit einem Verbrauch von 17 Litern auszukommen und den Rolls Royce selten, aber gerne fährt.
Als Beifahrer konnte ich mich während der Fahrt in aller Ruhe umsehen. Allein der Blick nach vorne: Kotflügel und Motorhaube im Gegensatz zu modernen Autos klar zu sehen, noch richtige Kotflügelkanten oben und "irgendwo da vorne" diese elegante Kühlerfigur namens"Spirit of Ecstasy" (und nicht "Emily", wie man meist annimmt). Liebe Mercedesfahrer: nicht böse sein, aber ein Stern hat noch nicht mal ansatzweise die Aura oder den Charme einer solchen Küherlfigur!
Bevor es den gleichen Weg wieder zurück ging, hielt der Besitzer mit den Worten "Möchtest du mal fahren?" an. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet, nahm dieses Angebot aber gerne an. Da werden doch Jugendträume wahr... Es war für mich ein sehr ungewohntes Gefühl einen Rechtslenker auf deutschen Straßen zu fahren. So leicht sich der Silver Shadow auch in Bewegung setzt, es sind und bleiben über 2 Tonnen verteilt auf 5,17m Länge und 1,82m Breite. Auch bei sachter Beschleunigung spürt man die Kraft des großen Motors. Irgendwann sollen auch mal 200 PS zur Verfügung stehen, aber höhere Drehzahlen werden überhaupt nicht benötigt. Das auch schon im Leerlauf üppige Drehmoment reicht völlig aus um entspannt zu beschleunigen. Diese aus dem Ärmel geschüttelte Kraft und die Ruhe wirken wunderbar entschleunigend. Man hat es einfach nicht nötig über die Landstraße zu brettern, man hat Zeit, man hat es nicht nötig sich zu beweisen. Diese freiwillige Ruhe wirkt dabei weder langweilig noch einschläfernd. Ein Audi TT überholt uns. Egal. So gerne ich großvolumige Motoren auch aufbrüllen höre, hier reicht mir das sanfte Geblubber völlig.
Spätestens nach der ersten Kurve wäre es mit einer sprotlichen Fahrweise eh vorbei. Es lenkt sich fast wie bei einem Segelboot: man lenkt ein und irgendwann reagiert das Fahrzeug auch. Zumindest kam es mir so vor, da die Lenkung sehr indirekt ausgelegt ist. Diese indirekte Lenkung wirkt dabei aber nicht unsicher, sondern eher passend. Wozu eine direkte Lenkung wenn man es eh nicht eilig hat? Man rast nicht um die Kurven, mit einem Rolls Royce schreitet man um Kurven. Bei diesem Wagen ist alles stimmig: der entspannte Fahrstil paßt einfach zu so einem elegantem Wagen. Gleiten statt rasen. Gelassenheit statt Hektik. "Ich habe es nicht nötig" statt "Dem zeig ich es mal".
Subjektiv verging die Rückfahrt viel schneller als die Hinfahrt. Ob das nur daran lag, daß ich selber fahren durfte? Anhalten, Automatik auf P, Motor aus, Handbremse anziehen. Puh! Was für ein Erlebnis! Der gezogene Handbremshebel ragt übrigens zwischen zwischen den Beinen das Fahrers und der Fahrertür in den Innenraum und stört somit ein wenig beim ein- und aussteigen. Das würde ich jetzt nicht als gravierenden Fehler betrachten, aber ist schon ein kleines Manko bei einem sonst so grandiosem Wagen.
Im Nachhinein kann ich mich nicht an die Federung erinnern, weder an Geschaukel noch an durchgeschüttelt werden. Das paßt hingegen ins Gesamtbild: man kommt von A nach B ohne viel von der Reise mitzubekommen. Alles "Lästige" wird soweit wie möglich gefiltert: Straßenzustand, Geräusche, Hektik. Da kann man schon verstehen warum Rolls Royce für manche die besten Wagen der Welt baut.
Und für mich persönlich? Diese Fahrt war eine wunderbare Erfahrung, dafür vielen Dank lieber Silver Shadow Besitzer! Das ist für mich ein Traumwagen, den ich aber allein schon wegen der laufenden Kosten nie besitzen möchte. Mitfahren jederzeit gerne wieder! Das war wirklich ein wirklich ein tolles Erlebnis, ich glaube ich habe noch drei Tage danach von Ohr zu Ohr gegrinst...